Erfahrunsgbericht zweier berufstätiger Mütter mit insgesamt 9 Kindern (zwischen 9 und 20 Jahren)

Während unsere Generation sich doch eher schwer tut und sich mühsam an neue Kommunikationskanäle und Collaboration Tools heranwagen, viel Geduld und oftmals noch mehr technischen Support benötigen, um damit klar zu kommen, sind die digital Natives schon längst im „Home Schooling Flow“. Sie akzeptieren die Situation so, wie sie ist, nehmen neue Arbeitsweisen und Tools spielerisch an und machen das Beste aus der Situation, unabhängig von der digitalen Infrastruktur der Schule.

Auszug aus dem Tagebuch eines Schülers, Gymnasium 9. Klasse

8.00 Aufstehen 

„Ist das geil, dass Mom nicht um 6.00 Uhr in meinem Zimmer steht und mich zum Frühstück weckt… erstmal checken, was so auf Insta passiert ist. 

8.30 Schooling

Schon jemand auf Hausparty, Jungs? Oh Mann, wieder tausend Aufträge, die Müller hat echt ‘ne Macke, 3 Gedichte analysieren… häh? Röhrenvolumen ausrechnen? Okay, eins nach dem anderen. Womit fangen wir an? Okay. Mathe. Jo, hab‘ ich auch… nee, das versteh ich nicht, wart‘ mal, ich frag‘ mal schnell meine Sis. Die sagt, das ist richtig so. Wart‘ mal, jetzt ruft Tim auf WhatsApp an…

10.30 Pause

Leute, ich geh jetzt erst mal ‚ne Runde joggen….

11.30 Schooling

Jungs, was geht? Bin wieder da. Was macht Ihr gerade? Nicht Deutsch… okay, bin dabei. Ich stell mich mal auf mute… muss mich konzentrieren.

13.30 Mittagspause

Erstmal was gescheites Essen…Papa sitzt mal wieder im Büro. Eine Telco nach der anderen. Mom hat oben einen Workshop auf Zoom, meine 3 Schwestern sitzen alle zusammen unten am Esstisch hinter ihren Computern. Nur mein großer Bruder hat’s gut. Der fängt erst im April an zu studieren… aber was macht der da? Online-Mathekurs… zum Glück ist das Essen fertig. Zurück ins Zimmer. Was gab‘s bei Euch? Was geht als Nächstes? 

16.00 Ende!

So. Alles für heute erledigt. Habt Ihr Euer Zeug schon hochgeladen?

16.30 Friends

Jetzt fängt die Houseparty erst richtig an. Welches Spiel geht?

18.30 Family

Bum Bum Bum… oh no, jetzt machen die Mädels oben wieder Sport vorm Bildschirm. Und ich dachte, es gäb bald was zum Abenddessen….

Manchmals nervt es ja, dass Mom und Dad und meine Geschwister den ganzen Tag zu Hause sind… aber irgendwie ist es auch cool.

20.00 Abendessen

Jetzt sitzen wir alle zusammen beim Essen und diskutieren über die News. Ist schon alles echt krass…

21.00 Chillen

Jungs, noch ‘ne Runde zocken?

Mit dieser gelassenen und unkomplizierten Art machen die digital Natives uns vor, wie es einfach geht. Natürlich müssen Sie sich auch nicht um Datenschutz oder Dienstvorschriften kümmern und schieben sicher auch keine Panik, wenn sie nun weniger Stoff lernen als normalerweise vorgesehen. Selbst unsere beiden Abiturientinnen nehmen die verschobenen Prüfungstermine entspannt hin, nutzen Youtube-Videos und diverse Online-Lernprogramme, um sich in Mathe fit zu machen, anstatt des geplanten Offline-Mathe-Intensivkurses, der für die Osterferien geplant war.

Natürlich bringen die Regelungen zur Eindämmung des Corona-Virusses eine fundamentale Umstellung für uns alle mit sich – nicht nur ein Mindset Shift, sondern auch eine radikale Änderung unseres Tagesablaufs, unserer Gewohnheiten, unseres privaten und beruflichen Lebensrhythmusses, denn ein großer Teil der Gesellschaft sind aktuell gefordert, plötzlich und ohne Vorbereitung von zuhause aus digital und virtuell zu arbeiten.

Die enorme Umstellung gilt genauso für die meisten Unternehmen, Mitarbeiter arbeiten im home office (auch wenn es dort gar kein „Office“ gibt), Führungskräfte sind besonders gefordert, ihre Teams am Laufen, ihre Motivation und Produktivität hoch zu halten und einen guten Austausch sicherzustellen, der sonst so selbstverständlich in der Kaffeeküche passiert.

Genauso in den Schulen – das pädagogische Konzept ist seit Jahrhunderten auf Präsenzunterricht ausgelegt – Pädagogen müssen nun komplett umdenken und viel Zeit und Hirnschmalz investieren, um ihren Schülern einen altersgemäßen und strukturierten Arbeitsplan mit den entsprechenden Materialien zu liefern. Und Schüler sollen nun plötzlich ganz eigenständig, ohne weitere Erläuterung neuen Stoff aufnehmen und diese sogleich nachweisbar umsetzen, ihre Ergebnisse selbst kontrollieren und autodidaktisch neue Themen erschließen. 

Das ist die eine Seite der Medaille, primär ein Mindset Change. Auf der anderen Seite gilt es, die technische Infrastruktur im Eiltempo zu schaffen und aufzusetzen, Datenschutz unbedingt zu berücksichtigen und allen Beteiligten mit mobilen Arbeitsgeräten (Laptops) auszustatten. Wer das schon hat, ist klar im Vorteil. So geht Digitale Transformation im Schnellverfahren…was wir 20 Jahre vor uns hingeschoben haben, erfolgt nun als Hauruck-Aktion, geht doch!

Sowohl Schulen als auch Unternehmen stehen aktuell auf dem Prüfstand ihrer digitalen Fitness – das Spektrum ist breit, einige lernen zum ersten Mal, wie man eine Videokonferenz schaltet, welche Online-Tools zur Zusammenarbeit (sog. Collaboration tools) es überhaupt gibt und haben große Hürden zu überspringen, ihre Arbeitsweise an die aktuellen virtuellen Gegebenheiten anzupassen. Andere freuen sich an der bereits existierenden Cloud-Infrastruktur und nutzen die Gelegenheit, das Potenzial der digitalen Plattformen und Tools mehr und mehr auszuschöpfen. Hinzu kommt eine große Portion Kreativität, die in der Krise zur Entfaltung kommt: Lehrer, die sich bisher vor digitalen Technologien eher gescheut haben, erstellen eigens Erklär-Videos für Ihre Schüler, Bastelideen werden freudig geteilt, Fragen im What‘sApp Gruppenchat geklärt.

Auch erleben viele Organisationen aktuell einen riesigen Fortschritt in Sachen Flexibilität, Mitarbeiter zeigen eine hohe Produktivität im home office und agile Workshops via Videokonferenz führen zu erstaunlichen Ergebnissen. Meist liegt es doch an der persönlichen Haltung und Aufgeschlossenheit der Beteiligten und muss nicht mit dem Lebensalter korrelieren.

Dennoch, die SchülerInnen tun sich einfach leichter und machen uns vor, wie es geht und wie wir diesen Status auch noch länger durchhalten, ohne auszubrennen. Wer weiß, ob wir nicht die ein oder andere Veränderung (z.B. 2 Stunden Videokonferenz versus ganztägige Flugreise) dauerhaft beibehalten?

Hier unsere Takeaways, was wir von unseren Kindern gelernt haben:

Was wir von unseren Kindern & Home Schooling lernen können:

1. Genieße die Vorteile

  • Länger ausschlafen, kein nerviger Weg in die Schule/ins Büro 
  • Sich den Tag selbst einteilen 
  • Pausen nach eigenen Bedürfnissen (Sport, frische Luft) ausrichten
  • Sich ganz locker und bequem kleiden

2. Sei offen für Neues und die Hilfe von Anderen

  • Neue Tools/Formate einfach ausprobieren
  • Verschiedene Kanäle, Tools und Geräte ggf. auch parallel nutzen
  • Sich bei Fragen online oder offline Unterstützung holen
  • In Mikroteams arbeiten, z.B. via Slack, WhatsApp, MS Teams

3. Bleib entspannt!

  • Die Dinge gelassen nehmen, dankbar sein für das, was geht
  • Nicht den ganzen Tag erreichbar sein, bewusst mal abschalten
  • Aus der Pflicht eine „virtuelle Party“ machen

Dr. Carolin Matouschek, Stefanie Peters

Vielen Dank an Carolina und Antonio Peters für Eure Inputs und Fotos!