Customer Lifetime Value (CLV) – Einführung, Analytics und Reporting des Kundenwerts mit Praxisbeispielen von Happybrush und claro products

Der Customer Lifetime Value (CLV) eines akquirierten Kunden ist ein regelmäßig verwendeter Begriff im digitalen und non-digitalen Retailgeschäft. Für Unternehmer und Investoren dient diese Messgröße zur Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells – und dessen zukünftigem Ertragspotenzial. Dieser Beitrag soll CLV-Expertise aufbauen und einen tieferen Einblick in die Methodik und die vielfältigen Anwendungsgebiete in der Unternehmenssteuerung geben. Die praktische Ausgestaltung sowie Implikationen einer CLV-Fokussierung werden anhand von Praxisbeispielen dargelegt.

Warum Customer Lifetime Value (CLV)?

Der Customer Lifetime Value – kurz CLV – bezeichnet vereinfacht die Höhe des langfristigen monetären Werts eines Kunden. Er stellt damit eine zentrale Frage im Handel dar. Neben dem Aspekt der Funktionsweise und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells an sich ist er auch eine steuerungsrelevante Information für strategische und operative Maßnahmen.

Auf den individuellen Kunden herunter gebrochen handelt es sich somit um die Summe aller Deckungsbeiträge über den Zeitraum der Existenz des Unternehmens abzüglich der Kosten zur Akquise dieses Kunden. Der Begriff des „Custo- mer Equity“, also der Wert des Kundenstamms, summiert die individuellen, künftig erwartbaren Customer Lifetime Values aller bislang akqui- rierten Kunden auf. Dieses stellt den Gesamtwert einer treuen Kundenbasis dar, die mit hoher Fre- quenz margenhaltige Produkte erwirbt und zum Kauf nicht mit hohen Incentives wie Rabatten stimuliert werden muss. Das bedeutet, der Kunde ist von Angebot, Preis und Service überzeugt und kehrt bei jeder Kaufabsicht wieder.

Werbeausgaben werden im Idealszenario nur noch für die Neukundenakquise und somit Umsatzsteigerung budgetiert, der erreichte Umsatz- und Deckungsbeitragssockel bleibt durch die Bestandskunden bestehen. Die Pflege des Kundenstamms läuft über den Bereich des Customer Relationship Managements und die Kosten hierfür betragen in der Regel nur einen Bruchteil jener der Neuakquise. Das schafft nicht nur Planungssicherheit, sondern auch eine signifikante Skalierung der Marketingkosten und bedeutet eine entsprechende Steigerung der Gesamtrentabilität. Diese Steigerung der Ren- tabilität kann mehrere Prozentpunkte betragen. Wird diese wiederum in die Akquise von viel- versprechenden Neukunden re-investiert, dreht sich automatisch die Umsatzschraube nach oben. Und das bei nachhaltigem Bestandskun- denaufbau.

Customer Lifetime Value – die Änderung der Perspektive
Spricht man von der Umsatzentwicklung eines Unternehmens, dann wird dieser Wert in der herkömmlichen Betrachtung als absolute oder prozentuale Veränderung zu einer Vergleichsperiode ausgewiesen. Teilbereiche wie die Länderent- wicklung oder jene bestimmter Produktsparten werden gesondert dargestellt.

Die CLV-Logik bringt hier eine neue Perspektive ins Spiel, nämlich die Kundenstruktur des erziel- ten Umsatzes und die jeweiligen Deckungsbei- träge. Betrachtet man ein einzelnes Quartal, so wird zunächst in Bestellstufen unterschieden, in welchen sich die Kunden jeweils befinden (Beispieltabelle Abbildung 1). Damit ist bereits der erste relevante Erkenntnisgewinn gegeben, nämlich der Neukundenumsatz bzw. -deckungs- beitrag sowie die Anzahl der Neukunden.

Abbildung 1: Kalkulation der Wiederkaufquote je Bestellstufe

Die dynamisierte Betrachtung am Zeitstrahl
Der nächste Schritt integriert die zeitliche Dynamik in die Kalkulation. Hier wird den Kunden einer jeden Bestellstufe ein gewisser Zeitrahmen gegeben und das weitere Bestellverhalten wird beobachtet. Aus diesem Bestellverhalten kann man auf die Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt eines Folgekaufs schließen, auch Wie- derkaufquote oder Retention Rate bezeichnet. Zusätzlich ermittelt man den durchschnittlichen Zeitraum zwischen Bestellung und Folgebestellung je Bestellstufe, die so genannte Cycle Time, der später eine wichtige Bedeutung zukommt.

Die Ableitung unter Berücksichtigung der jeweiligen durchschnittlichen Warenkörbe und Deckungsbeiträge sowie der Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufs pro Bestellstufe ergibt den Customer Lifetime Revenue (-Umsatz) einerseits und den Customer Lifetime Value (= Deckungsbeitrag) andererseits. Alle Parameter beziehen sich stets auf den betrachteten Zeitraum, im Beispiel oben auf das ausgewählte Quartal. Auf dieser Basis lässt sich sowohl eine Gesamtstrategie für mehrere Jahre entwerfen und es lassen sich auch die unmittelbaren Maßnahmen und das operative Vorgehen erarbeiten.

Die gelebte CLV-Praxis Teil 1: E-Commerce

Die Stärke eines datengetriebenen Retailers liegt darin, alle vorliegenden Informationen optimal zu verwerten und daraus die richtigen strategischen und operativen Entscheidungen ableiten zu können.

Im Online-Bereich sollte aufgrund der Datentransparenz von Beginn an der Fokus auf den Customer Lifetime Value gelegt werden. So sind auch viele Geschäftsmodelle zu erklären, die auf den ersten Blick zwar keine signifikante Rendite abwerfen, jedoch beeindruckende jährliche Wachstumszahlen präsentieren und so eine absolute Marktmacht darstellen.

Amazon ist hier das bekannte Paradebeispiel, aber auch die erfolgreichen europäischen Player wie die Münchner zooplus AG und die zalando SE – beide börsennotiert – setzten von Beginn an auf dieses Thema als Grundlage des Geschäftsmodells und der Wachstumsstrategie.

Der von Bankenseite oftmals gestellten Frage nach der erzielten Rendite wird entgegengenhalten, dass sie in der Wachstumsphase nicht im Vordergrund steht; entscheidend ist die Re- Investition in den Stammkundenaufbau. Erst mit dem Übergang von der Wachstumsphase in die Stabilisierungsphase monetarisiert sich das Potenzial des Geschäftsmodells. Die Frage ist nur, wann das Unternehmen in diese Phase eintritt beziehungsweise eintreten möchte.

Der wirtschaftliche Impact ein Zahlenbeispiel
Um den ökonomischen Effekt anschaulich zu machen, dient ein einfaches Rechenbeispiel (Abbildung 2): Ein Unternehmen mit 100 Mio. Euro Jahresumsatz erzielt eine Umsatz-Retention von 25%. Das bedeutet, dass im Folgejahr fix 25 Mio. Euro Umsatz durch Bestandskunden der Vorjahre generiert werden. Um das Umsatzniveau von 100 Mio. Euro zu halten, müssen somit 75 Mio. Euro Umsatz von Neukunden stammen. Die Kosten für jeden Neukunden betragen 10% des Neukundenumsatzes, somit werden 7,5 Mio. Euro für Marketing ausgegeben.

Abbildung 2: Wirtschaftlicher Impact höherer Umsatz-Retention

75 Mio. Euro Umsatz von Neukunden stammen. Die Kosten für jeden Neukunden betragen 10% des Neukundenumsatzes, somit werden 7,5 Mio. Euro für Marketing ausgegeben.

Steigert man in einem Szenario 1 die Umsatz-Retention auf 50%, müssen nur noch 5 Mio. Euro in das Marketing investiert werden, die Ersparnis liegt somit bereits bei 2,5 Mio. Euro. Und beträgt diese Kennzahl in einem Szenario 2 100%, dann muss das Unternehmen keinerlei Marketingaus-gaben tätigen, um das Umsatzniveau von 100 Mio. Euro im Folgejahr zu halten. Die Ersparnis läge somit bei 7,5 Mio. Euro im Vergleich zur Ausgangslage. Dieser Betrag bedeutet eine Steigerung der Rendite um 7,5 Prozentpunkte oder einen zusätzlichen Neukundenumsatz von 75 Mio. Euro bei Re-Investition. In diesem Fall erreicht das Unternehmen im Folgejahr einen Gesamtumsatz von 175 Mio. Euro statt der ursprünglichen 100 Mio. Euro.

Ein Wert von 100% Umsatz-Retention mag utopisch erscheinen, ist jedoch durchaus erreich- bar. Ein Beispiel hierfür ist die zuvor erwähnte zooplus AG. Das Unternehmen weist auf der aktuellen Investorenpräsentation eine jährliche Quote von 97% aus und ist damit absoluter Spitzenreiter.

Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass es beim Customer Lifetime Value nicht um ein Randthema geht, sondern im Grunde um das Herzstück des

Retail-Geschäftsmodells. Um so überraschender ist es, dass dieses Thema bei vielen Führungskräften nicht auf der Agenda steht.

Der Mehrwert gilt nicht nur für pure Online- Händler. Auch Multi-Channel-Unternehmen, die im stationären Handel ihre Produkte vertreiben und gleichzeitig einen Webshop betreiben, sollten ihre Datenbasis für die CLV-Optimierung nutzen. In diesen Fällen werden Verknüpfungsmöglichkeiten wie Kundenkonten oder auch Rabattcodes erstellt, um jeden Kauf, sei es im stationären Geschäft oder online, dem Kunden zuzuordnen. Nur so kann das Kaufverhalten des Kunden weitestgehend lückenlos nachvollzogen werden.

Zusätzlich kann der Online-Shop auch als Test- feld für das Kaufverhalten und die Produktent- wicklung dienen.

Vom Wald zum Baum – die 360°- CLV-Analyse
Das Schema zur CLV-Analyse der Daten kann prinzipiell aus zwei Perspektiven erfolgen, die sich im nächsten Schritt problemlos zusammen- führen lassen:

1. Kundenperspektive

2. Produktperspektive

Über diese beiden Hauptperspektiven lassen sich nun wiederum Filter legen, die eine differenzier- tere Betrachtung und Rückschlüsse ermöglichen (Abbildung 3). Im Mittelpunkt stehen dabei immer die tatsächlichen Verhaltensmuster, aus denen sich verschiedene Cluster ableiten lassen.

Abbildung 3: Filtermöglichkeiten zur Identifikation von Kundenclustern

Im Zuge der CLV-Analysen hat sich für ein euro- paweit tätiges E-Commerce-Unternehmen die klare Erkenntnis herauskristallisiert, dass ein vor Jahren eingeführtes, jedoch nicht nachhaltig gepflegtes Kundenbindungsprogramm dennoch zu einem um den Faktor 10 höheren CLV bei den teilnehmenden Kunden führt. Die Betrachtung der dahinter stehenden Key Performance Indicators gab klar Aufschluss darüber, wie sich dieser signifikante Unterschied begründet: Zum einen ergab sich ein wesentlich höherer Warenkorb in allen Bestellstufen, der wiederum jeden Kauf aufgrund der Skalierung von sprungfixen Kosten wie Logistik und Versand deutlich profitabler werden ließ. Gleichzeitig stellten sich auch KPIs wie Wiederkaufquote und -frequenz wesentlich besser dar und das ebenso über alle Bestellstufen hinweg. Die Implikationen für das weitere Vorgehen waren somit die volle Konzent- ration auf den Ausbau dieses Kundenclusters mit einer erwarteten Renditesteigerung von 4 bis 5 Prozentpunkten für das Gesamtunternehmen.

Marketing im CLV-Stil – von Indizierung bis Look-alike
Marketing zielt darauf ab, mit möglichst niedri- gen Kosten die meisten Kunden zu akquirieren. Dabei ist die Betrachtung oftmals zeitlich ein- dimensional, sprich je geringer die Ausgaben für die Akquise eines Neukunden ausfallen, umso positiver wird diese Kampagne bewertet. Diese

Sichtweise ist insofern irreführend, als dass sie nicht die weitere Entwicklung dieser Kunden berücksichtigt. So kann ein Kunde im Erstkauf zwar ein Produkt mit geringer Produktmarge erwerben, sich jedoch im Laufe der Zeit zu einem treuen Stammkunden entwickeln, dessen kumu- lierter Deckungsbeitrag jenen des vermeintlichen Top-Kunden beim Erstkauf deutlich übersteigt. Verbindet man die Marketingkampagnen mit dem Customer Lifetime Value der generierten Kunden, lässt dies deutlich differenziertere Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit einzelner Kampagnen zu (Abbildung 4).

Abbildung 4: CLV-Analysen verschiedener Marketing-Kampagnen (Beispiel)

Gleichzeitig ermöglicht die CLV-Analyse der Marketing-Aktivitäten ein verhaltensabhängiges Clustering der bestehenden Kunden, welche wiederum nach Top-, Medium- und Low-CLV-Wirkungsgrad klassifiziert werden.

Die daraus gewonnenen Informationen können in zwei Richtungen verarbeitet werden:

  1. Suche, Ansprache und Akquise der Kunden, die aufgrund ihres Profils und ihrer Aktivitä- ten eine Übereinstimmung mit jenen des Top- CLV-Clusters vorweisen
  2. Individualisierung der Ansprache der aktiven Bestandskunden nach ihrem bisherigen Ver- haltensmuster

Während für den ersten Baustein der Neukundenakquise von künftigen Top-CLV-Kunden die (Performance-)Marketingabteilung zuständig ist, beschäftigt sich das Customer Relationship Management grundlegend mit der Optimierung des bestehenden Kundenstamms. Beide Bereiche greifen ineinander, da auch innerhalb der bestehenden Kunden jene herausgefiltert werden können, die das Potenzial zur Weiterentwicklung in sich tragen.

Die gelebte CLV-Praxis Teil 2: Nachhaltige Kundenakquise
Die Happybrush GmbH ist ein Anbieter von Oral-Health-Care-Produkten und vertreibt unter der eigenen Marke aus nachhaltigen Materialien produzierte elektrische Zahnbürsten und Mund- hygieneprodukte. Als Vertriebskanäle dienen der stationäre Handel sowie der eigene Webshop. Genau hier setzt das Unternehmen an, um mit den generierten Informationen sowohl bei der Kundenakquise als auch bei der Kundenbindung zusätzlich zur markentechnischen Positionierung als sozial-nachhaltiger und technischer Innovati- onstreiber einen Wettbewerbsvorteil aufzubauen.

Der Terminus „look-alikes“ als diejenigen Kunden, die jenen der Top-CLV-Cluster entsprechen, ist nur teilweise korrekt. Eine ähnliche Ausbil- dung, Lebensstandard oder Demografie bedeuten nicht zwingend das gleiche Kaufverhalten. Zutreffender wäre der Terminus „do-alikes“, denn diese Bezeichnung zielt direkt auf die Ähnlichkeit im Handeln der Zielgruppe ab.

So entstehen mehrere Cluster bevorzugter Kundengruppen, die innerhalb des Segments weitest- gehend homogen agieren und die auch noch durch eine oder mehrere Eigenschaften verbunden sind, die eine Ansprache ermöglichen. Ein je spezifischer Marketingmix wird passgenau für die jeweiligen Eigenschaften eines jeden Clusters definiert. Die Messbarkeit des Erfolgs dieser Kampagnen ist ein entscheidender Vorteil, da hier wiederum laufend Optimierungen vorgenommen werden.

Dank dieser Methode funktioniert die Neukundenakquise nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip. Auch ist bereits im ersten Schritt ein höheres Marketinginvestment denkbar, da eine unter Umständen teurere Kampagne im Jetzt über die Zeit einen deutlich höheren Return on Investment zurückspielt. Die Happybrush GmbH produziert somit nicht nur nachhaltige Produkte, sondern baut auch schrittweise einen nachhaltigen Kundenstamm auf.

Predictive Analytics – Bestehende Potenziale heben
Die Identifikation der bereits analytisch erwie- senen Top-CLV-Kunden ermöglicht auch einen differenzierten Blick auf den bestehenden Kun- denstamm und lässt Rückschlüsse zu, welche Potenziale hier zu erwarten sind. Über Predictive Analytics, also mathematische Modelle zur Vorhersage des künftigen CLV-Potenzials,

lassen sich auch „High Potentials“ bereits bei der Akquise der Neukunden identifizieren. Diese können dann speziell gefördert werden, um den Kunden von Beginn an auf dem Weg zum Stammkunden zu begleiten. Die Bandbreite reicht hier von einer individualisierten Ansprache über beschleunigte Paketzustellung bis hin zu bevor- zugter Behandlung durch den Kundenservice im Falle von Beschwerden.

Es gibt verschiedene Methoden für Predictive Analytics, je nach Bedarf und Datenverfügbarkeit. Neben der linearen Regression als gebräuchliche Berechnungsweise werden auch Methoden wie Clustering oder das NBD/Pareto-Modell eingesetzt.

Die Zielsetzung ist dabei immer, die Parameter wie Wiederkaufquote, Cycle Time und die Umsatz- und Deckungsbeitragsentwicklung zu antizipieren, und das im Idealfall für jeden neu akquirierten Kunden.

Die gelebte CLV-Praxis Teil 3: Ökologie-bewusste Kundenbindung
Die Firma claro products GmbH aus Österreich hat als Produktionsunternehmen und Markenentwickler von ökologischen Produkten wie Geschirrspültabs ebenso die Macht der Zahlen für sich entdeckt. Nachdem im vergangenen Jahr die deutsche Stiftung Warentest die classic Tabs als Testsieger ernannt hat, musste auf den massiven Nachfrageanstieg im Online-Shop eine maßgeschneiderte Strategie zur Kundenbindung entwickelt werden, um die plötzliche Bekanntheit am deutschen Markt auch als Absprungbasis für die weitere Marktentwicklung zu nutzen.

Diesen ohne größere Marketinginvestments gewonnenen Neukunden war gemein, dass ihr

Einstiegsprodukt mehrheitlich das Testsieger- produkt war. Diese Zugehörigkeit zu den Fast Moving Consumer Goods, also den schnelldre- henden Konsumgütern, ermöglicht eine gute Abschätzung der Dauer bis zu einem erneuten Bedarf. Und genau hier kann auch auf CLV-Ebene angesetzt werden.

Der perfekte Moment – die zeitlich individualisierte Ansprache
Die oben genannte Cycle Time, also der Zeit- raum zwischen den Bestellstufen, richtet sich immer nach den Kundenbedürfnissen. Und genau hier besteht die Abhängigkeit zum angebotenen Produktsortiment. Sowohl claro als auch Happybrush profitieren von einem prognostizierbaren Zyklus. Die Geschirrspült- abs zeichnen sich bei unverändertem Spülver- halten durch eine verlässliche Verbrauchszeit aus und auch die elektrische Zahnbürste muss in regelmäßigen Abständen mit neuen Bürstenköpfen versehen werden. Bei elektronischen Artikeln dagegen sind die Zyklen per se nicht vordefiniert, jedoch ermöglicht eben die CLV-Auswertung nach einzelnen Segmenten eine hinreichend exakte Prognose des durch- schnittlichen Zeitpunkts eines Wiederkaufs – und das auf Kundenebene.

Ist dieser kritische Zeitpunkt erst einmal definiert, können individualisierte Maßnahmen die Kaufwahrscheinlichkeit im Vorfeld deutlich erhöhen. Andererseits lassen sich Kunden, die der Definition beziehungsweise Statistik nach schon ihre Bestellung hätten platziert haben müssen, gesondert und maßgeschneidert ansprechen oder incentivieren. Dadurch wird eine Erhöhung der Wiederkaufquote erzielt, die wiederum auto- matisch den Customer Lifetime Value erhöht (Abbildung 5).

Abbildung 5: Cycle-Time, Überfällige Bestellungen und Kundenansprachen

Reporting und Visualisierung

Für die operative Übersetzung in eine aktive Steuerung ist der Fokus auf die wesentlichen Treiber im Reporting entscheidend. Neben dem Monitoring der Kennzahlen im Zeitverlauf auf aggregierter Ebene und einem dazugehörigen Ampelsystem bei Fehlentwicklungen müssen aus Steuerungssicht die Schwerpunkte auf die Qualität der Neukundenakquise und die Weiterentwicklung der Bestandskunden gelegt werden. Der Blick in die Zukunft ist dabei immer ein wesentlicher Bestandteil der Darstellung.

Diese Unterteilung soll sich auch im Aufbau der Dashboards widerspiegeln (Abbildung 6). Die Qualität der Akquisetätigkeit wird dabei insofern gemessen, als dass für die Neukunden ihr erwartbarer CLV dargestellt und mit den Kriterien der Top-CLV-Cluster des bestehenden Kundenstamms abgeglichen wird. Dabei lässt sich ebenso die künftige Umsatz- und Deckungs- beitragsentwicklung extrapolieren.

Abbildung 6: CLV-Reporting-Dashboard

Für die Beurteilung der Performance der Bestandskunden entscheidend sind die Einflussfaktoren wie Wiederkaufquote und Cycle Time. Während die Wiederkaufquote der einzelnen Bestellstufen im Zeitverlauf dargestellt wird, hilft eine Klassifizierung in aktive, fällige, überfällige und kritische Kunden bei der Beurteilung der Maßnahmeneffizienz.

So wie bei jedem Reporting und Dashboard liegt die Kunst in der Simplifizierung von komplexen Sachverhalten, um die Konzentration auf jene Hebel zu lenken, die den meisten und nachhal- tigsten Einfluss auf die positive Entwicklung haben.

Fazit

Die Maximierung des Customer Lifetime Value sollte nicht nur bei klassischen E-Commerce-Playern an oberster Stelle stehen, sondern auch bei allen anderen Unternehmen mit direktem und/oder indirektem Endkundenkontakt.

Die Implementierung einer CLV-Strategie ist im Grunde weniger eine Frage des technischen Set-ups als die notwendige Bereitschaft, sich dem Thema über alle Bereiche der strategischen und operativen Unternehmenssteuerung nachhaltig zu widmen. Vor allem die direkte Messbarkeit der Fortschritte der unterschiedlichen Einflussfaktoren ermöglicht ein aktives Management über alle Abteilungen hinweg.

Dass dabei tatsächlich der Kunde ins Zentrum aller Überlegungen rückt, ist ein längst notwendiger Fortschritt in Bezug auf die Motivation des wirtschaftlichen Handelns. Die positiven Auswirkungen auf Umsatz und Rendite sind im Grunde nur ein erfreulicher Nebeneffekt. Eine klassische Win-win-Situation für alle Beteiligten.