7 Erfolgsansätze für den Handel, um Herausforderungen zu meistern – Teil 2

Die letzten Wochen des Jahres werden zeigen, ob der Handel 2023 als ein akzeptables Jahr oder ein furchtbares Jahr einstufen wird. Deutsche Händler blicken so skeptisch wie lange nicht in die Zukunft.

Die Kauflaune der Deutschen wird durch Inflation und unsichere Aussichten weiterhin getrübt. Die Branche selbst geht von einem Umsatzrückgang von 4 Prozent im stationären Handel aus und auch der Onlinehandel wächst nur unmerklich. Eine Erholung des Konsumklimas lässt weiter auf sich warten.

Der Handel war eine der ersten Branchen, die von digitaler Disruption betroffen waren. Schon mit dem Aufkommen des E-Commerce Ende der 90er Jahre zeigten sich erste Veränderungen. Dennoch war vielen nicht bewusst, welche großen Veränderungen bevorstanden. Viele Händler haben bis heute keine ganzheitliche Strategie, aber die digitale Disruption im Handel lässt sich weder ignorieren noch einfach aussitzen. Amazon hat mittlerweile einen Marktanteil von rund 8 Prozent am gesamten Einzelhandel und ist damit Nummer 4 nach den großen Lebensmitteleinzelhändlern und weit vor allen anderen Einzelhändlern.

Prominente Verlierer sind unter anderen Galeria Kaufhof, die 47 ihrer 131 Filialen schließen werden. Aber auch andere Player wie Peek&Cloppenburg, real, Hallhuber oder Reno haben sich 2023 unter den Schutzschirm einer Insolvenz begeben müssen.

Die sich mit KI anbahnende zweite Welle der Disruption dürfte deutlich stärker ausfallen. Viele, insbesondere kleinere Händler, sind aber noch nicht mal bei Welle 1. Über 50% der Händler haben bis heute kein Onlineangebot.

Die Grenzen zwischen digitalen und physischen Einkaufskanälen verschwimmen jedoch zusehends.

Wie können Händler nun dafür sorgen, Umsätze und Margen nicht nur zu halten, sondern auch auszubauen? Hier sind unsere Empfehlungen für das Jahr 2024:

  • Kundenzentrierte Strategie, die Grundlage von allem
  • Relevant bleiben und einen bequemen Einkauf über alle Kanäle ermöglichen
  • Intelligente Einsichten ermöglichen Personalisierung
  • Geschäfte werden zu Erlebniscentern
  • Exzellenter Kundenservice als Pflichtprogramm
  • Wachsender Wert von Loyalty-Programmen
  • Von der Verkäufer:in zur Markenbotschafter:in

4 Geschäfte werden zu Erlebnis-Centern

Keine Frage, auch im Jahr 2023 bleibt der physische Kauf die vorherrschende Einkaufsform. Die Hauptgründe dafür liegen auf der Hand: Käufer:innen möchten die Ware berühren und direkt begutachten, ihre Einkäufe umgehend erhalten und Versandkosten vermeiden. Allerdings sind die Transaktionen im Ladengeschäft in den letzten Jahren pandemiebedingt um 27 % gefallen. Auch wenn sich dieser Trend nicht mehr fortsetzt, haben reine Onlinehändler dem stationären Handel stark zugesetzt.

Denn der stationäre Handel nutzt selten seinen größten Vorteil -im Gegensatz zum Onlinehandel ein echtes Erlebnis bieten zu können. Nicht nur Millenials und die Generation Z kommen hauptsächlich wegen Spaß und Veranstaltungen in ein Geschäft – Traditionalisten und Babyboomer schätzen insbesondere eine gute Beratung und Betreuung. 

Vielen Einzelhändlern scheint es immer noch wichtig zu sein, so viel Ware wie möglich auszustellen. Ein beliebtes Beispiel sind Möbelhändler. Oftmals sind diese vollgestellt mit Möbeln und lassen ein echtes Einkaufserlebnis vermissen. 

Dass es auch anders geht, zeigen zahlreiche Beispiele. Als ein Paradebeispiel gilt das Kauf- und Sportshaus Lengermann & Trieschman in Osnabrück. Auf 5.000 Quadratmetern hat L&T in der Osnabrücker Innenstadt ein Kaufhaus und Sportgeschäft erschaffen, das eine einzigartige Erlebniswelt anbietet. Das Highlight bildet die “Hasewelle” (Hase ist ein Fluss, der durch Osnabrück fließt), eine stehende Welle, auf der man im Geschäft Surfen lernen kann oder einfach den Hobbysurfern zuschauen kann. Ein Fitnessstudio mit Höhentraining, kulinarische Genusswelten und diversen Events runden das Bild ab. Zurück zum Möbelhandel – nicht nur hier können immersive Technologien helfen, dass der Spagat aus Vollsortiment und Erlebnis gelingt. Das Möbelhaus agiert hier als Concept Store, der den Käufern ein echtes Wohnerlebnis vermittelt. Die Auswahl von Alternativen, Farben und Stoffen erfolgt dann über Virtual Reality. So lassen sich virtuell wie real Wohnwelten zaubern, die Kunden begeistern.

5 Exzellenter Kundenservice als Pflichtprogramm

Das sollte heute selbstverständlich sein, aber wenn Kunden nach Faktoren für ein negatives Erlebnis befragt werden, ist schlechter Kundenservice der Hauptgrund. Die gute Nachricht ist, dass ein exzellenter Kundenservice Käufer in loyale Markenbefürworter verwandelt. 94 % der Käufer sagen, dass guter Kundenservice sie eher dazu veranlasst, wieder zu kaufen.

Welchen Kundenservice wünschen sich Käufer:innen dann heute? Im Onlinehandel ist es vor allem kostenloser Versand, ein einfacher bzw. kostenfreier Umtausch und ein Loyalitätsprogramm. Im stationären Handel sind es neben den einfachen Umtauschmöglichkeiten und einem Loyalty Programm vor allem fachkundige Beratung und exklusive Shoppingevents.

Dazu gehört auch eine schnelle Erreichbarkeit. Keine leichte Aufgabe in der heutigen digitalen Welt, die Käufer:innen mittlerweile bevorzugen. E-Mail, Chat, Social Media und Text/SMS sind hier besonders beliebt. Händler müssen auf allen diesen Kanälen spielen, wenn sie einen herausragenden Service bieten wollen.

6 Der Aufstieg von zeitgemäßen Loyalitäts-Programmen

Es ist eine alte Binsenweisheit des Marketings – Neukunden kosten Geld, Bestandskunden bringen Geld. Laut Experten ist es 5x so teuer einen Neukunden zu gewinnen, wie einen Bestandskunden zu betreuen. Potenzielle neue Kunden müssen mit viel Aufwand umworben werden. Bei Bestandskunden dagegen kann auf eine funktionierende Beziehung und eine erkenntnisreiche Kundenhistorie zurückgegriffen werden – wenn man die Daten dazu sammelt und nutzt.

Die Gründe für ein verstärktes Investment in Bestandskunden liegen klar auf der Hand:

  • Bestandskunden verursachen weniger Aufwand und Kosten als Neukunden
  • Bestandskunden haben größere Warenkörbe und sorgen für höhere Wertschöpfung
  • Bestandskunden erlauben eine zielgerichtete Kommunikation
  • Zufriedene Bestandskunden empfehlen Produkte und Marken an andere weiter

Daher hat eine wachsende Anzahl von Händlern in Loyalitätsprogramme investiert – aus gutem Grund: laut einer Studie von Paytronix sind Kundenbindungsprogramme für einen Anstieg der Ausgaben und der Besuchshäufigkeit um 18-30 % verantwortlich.

Treueprogramme sorgen nicht nur für einen konstanten Anstieg der Besuche und Ausgaben um 18-30 % über alle Branchen, Marken, Segmente und Geschäftsmodelle hinweg, sondern bieten noch weitere Vorteile. Die im Rahmen dieser Programme gesammelten Daten – von demografischen Daten der Mitglieder über die Besuchshäufigkeit bis hin zu den favorisierten Produkten – sind für jede Marke, die ihre Kunden besser verstehen möchte, von unschätzbarem Wert. Diese Informationen können genutzt werden, um strategische Geschäftsentscheidungen zu treffen und das Marketing effektiver zu gestalten. Sie können auch mit künstlicher Intelligenz interpretiert werden, um versteckte Muster und Trends aufzudecken.

Laut dem Salesforce Connected Shopper Report geben 58 % der Käufer an, dass ein Kundenbindungsprogramm die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie bei einer Marke oder einem Händler kaufen. Aber es wurde auch festgestellt, das Käufer:innen wählerischer werden, was die Wahl ihrer Loyalitätsprogramme betrifft – die Zahl der Kundenbindungsprogramme, an denen die Käufer teilnehmen, ist seit 2021 um 21 % zurückgegangen.

Hierzulande setzen die meisten Händler auf Payback oder klassische Point-and-Rewards-Programme, also Programme, bei denen die Käufer:innen Punkte sammeln und eintauschen. 

Payback mag für viele Händler bequem sein – Payback übernimmt die Abwicklung und die technischen Systeme und der Händler erhält Informationen über das Kaufverhalten. Allerdings ist Payback hier immer der Gatekeeper und der Händler hat keine Datenhoheit. Zudem stellt sich die Frage, ob der Händler für die Prozentpunkte, die Payback vom Umsatz erhält, nicht in eigenes Loyalitätsprogramm investieren kann. 

Das Sammeln und Einlösen von Punkten mag immer noch sehr beliebt sein, greift aber aus unserer Sicht zu kurz. Wie so oft im Business sind uns die Vereinigten Staaten hier voraus. Nicht nur das deutlich mehr Händler dort ein Bonusprogramm haben, es ist über die Jahre und dank digitaler Möglichkeiten deutlich ausgefeilter.

So hatte der Lebensmittelhändler Whole Foods bereits 2014 ein digitales Bonusprogramm über eine App ins Leben gerufen, was neben üblichen Rabatten aktionsbasierte Coupons enthielt, die je nach Kaufverhalten ausgespielt werden konnten. Zudem konnten Kunden über ein sogenanntes Preference Center, ihre eigenen Vorlieben angeben, z.B. Vegetarier zu sein. Der Kunde konnte neben allgemeinen Aktionen gezielt über Push Nachrichten im Geschäft auf Sonderangebote zu seinen Vorlieben angesprochen werden.

Einige Händler haben ein solches zeitgemäßes Loyalitätsprogramm ebenfalls adaptiert, wie zum Beispiel Lidl mit Lidl Plus.

Die Vielfalt möglicher Leistungen durch Loyalitätsprogramme ist groß:

  • Vergünstigte Serviceleistungen (kostenfreie Lieferung, Installation, Styling)
  • Frühzeitiger Zugang zu Produkten oder Aktionen
  • Exklusiver Zugang zu limitierten Produkten oder Veranstaltungen
  • Belohnungen für nachhaltiges Verhalten
  • Gamification Elemente

Händler nutzen unserer Meinung nach diese Möglichkeiten zu wenig, um Kunden stärker an sich zu binden. Insbesondere kleine und mittlere Händler waren in der Vergangenheit oftmals abgeschreckt vom hohen technischen und administrativen Aufwand eines Loyalitätsprogrammes, wenn man zum Beispiel ein Vielfliegerprogramm einer Airline als Referenz nimmt. Allerdings haben Händler selten die Quantität und Komplexität einer Fluggesellschaft. Es braucht auch nicht zwingend Plastikkarten, im Gegenteil – Apps sind deutlich flexibler und hilfreicher für den Kunden.Gerade in den letzten Jahren sind eine ganze Reihe leicht bedienbarer Loyalty Management Softwarelösungen auf den Markt gekommen, die es dem Endanwender ermöglichen, einfache Regeln und Logiken aufzusetzen und ohne aufwändiges Customizing auskommen. Enable2Grow unterstützt Händler dabei, die passenden Softwarelösungen auszuwählen.

7 Schulung und Qualifikation

Wohl in kaum einer anderen Branche zählt der erste Eindruck so stark wie im Handel. Und je komplexer und teurer das Produkt, umso mehr zählt der „Moment of Truth“ – die konkrete Interaktion zwischen Verkäufer:in und Käufer:in.

Das Personal im Handel ist weit mehr als nur Verkäufer:in einer Ware – sie sind wahre Markenbotschafter:innen und am nächsten am Kunden. Wenn ich auf einen lustlosen Verkäufer in einer Elektronik-Fachmarktkette treffe, der noch weniger Ahnung als ich vom Produkt hat, dann endet es nicht nur ohne Kauf, sondern auch noch als Beschädigung der Marke.

Umso wichtiger ist es für Handelsunternehmen, in die Qualifikation und vor allem Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden zu investieren.

In einer Zeit, in der Wissen im Taschenformat eines Smartphones nahezu unbegrenzt vorhanden ist, ist die Qualifikation in Bezug auf das Fachwissen und Verkaufspsychologie das Pflichtprogramm, Empathie und echte Kundenorientierung die Kür.

In einer Diskussion mit einer führenden Modehauskette in diesem Frühsommer kam die Frage auf, inwieweit durch ein Coaching Empathie, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, anderen Menschen Momente der Freude zu schenken, erhöht werden kann. Die Antwort des Beraters ist wie so oft: Es kommt darauf an! Was es beim Mitarbeitenden immer braucht, ist eine intrinsische Motivation, Menschen gern zu beraten, begeisterungsfähig zu sein und Freude am Umgang mit Menschen zu haben.

Nun kann sich der Handel aktuell nicht gerade Mitarbeitende aussuchen, sondern sucht eher händeringend Personal. Umso wichtiger ist da das Investment in die bestehende Belegschaft und gezielte Trainings und Coachings, um die Zufriedenheit, aber auch die Soft Skills der Mitarbeitenden zu erhöhen.

Eines meiner schönsten Einkaufserlebnisse in dieser Hinsicht war vor Jahren – man ahnt es schon – nicht in Deutschland, sondern in einer kleinen Boutique in Lignano Sabbiadoro in Italien. Mir gefiel ein Hemd im Schaufenster und so trat ich ein. Ich wurde herzlich begrüßt und man gab sich jede erdenkliche Mühe, mir das Gefühl zu vermitteln, in diesem Moment der wichtigste Mensch der Welt zu sein. Jede Anprobe wurde gefeiert, nicht nur meine Frau, selbst andere Kunden wurden einbezogen. Und so zog ich, reich, mit neuer Kleidung ausgestattet und glücklich, von dannen und das Geschäft hatte einen guten Umsatz gemacht. Und das Schöne ist, 5 von 6 Kleidungsstücken trage ich noch heute, weil sie zeitlos und von hoher Qualität sind. Wäre das Geschäft nicht so weit weg, wäre ich Stammkunde.

Manche mögen einwenden, dass es sich um eine entspannte Urlaubssituation handelte und das Verkaufen in einer solchen Situation schwieriger sei. Leider kenne ich viele Geschäfte, in denen dieses Erlebnis trotz Urlaub nicht aufkam. Ich behaupte, es liegt in der intrinsischen Motivation, als Verkäufer:in jeden Morgen aufzustehen und sich vorzunehmen, so viele Kunden wie möglich glücklich zu machen. Dafür benötigt es ein sicheres Umfeld, Empowerment und das entsprechende Setup von Gehalt und Sozialleistungen – schlicht die Mitarbeitenden in das Zentrum des Unternehmens zu rücken, damit dieser den Kunden in sein Zentrum rückt.